Da einige Verkehrsinteressierte meinen Blog lesen, möchte ich an dieser Stelle näher auf meine Entdeckungen und die Besonderheiten im pakistanischen Verkehr eingehen.Ich beginne mit dem Verkehrsmittel, das ich – bezogen auf meine Verkehrsleistung – am Häufigsten genutzt habe: die Eisenbahn.

Die Lage der Eisenbahn in Pakistan lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Die Eisenbahn ist fast am Ende. In den letzten Jahren wurde das Angebot im Personenverkehr massiv gekürzt. Übrig geblieben sind etwa 5 Zugpaare im Regionalverkehr und ca. 15-20 Zugpaare im Fernverkehr – und das bei einem Land mit 200 bis 250 Mio. Einwohnern! Die Qualität der Infrastruktur ist oft mangelhaft. Das Rollmaterial für den Normalpakistaner, die sogenannte „Economy-Class“, präsentiert sich des Öfteren fensterlos, weswegen alle Fahrten mit einer kräftigen Staubdecke auf der Kleidung und auf bzw. im Reisegepäck enden. Die nächsthöhere Klasse, „AC-Sleeper“, besticht durch ihre nicht gerade sauberen Abteile. Die nächsthöhere Klasse, „Business“, dagegen hat neues, chinesisches Rollmaterial, ist jedoch für den Normalpakistaner nicht erschwinglich. Dann soll es noch Salonwagen geben, die im normalen Zugverband mitlaufen. Die sind mir jedoch unerkannt geblieben.

Im persönlichen Gespräch schmunzeln die Pakistaner häufig über ihr Engagement, das Streckennetz der Eisenbahn weiterzuentwickeln. Das heutige Netz ist mit dem von den Briten geschaffenen Netz nahezu identisch. Nur wenige Kilometer sind hinzugekommen. Auf Anweisung einiger Politiker ist es neuerdings vermehrt zum Rückbau der Schieneninfrastruktur gekommen, damit die eigenen Stahlwerke mit Eisen versorgt werden können. 2013 wurde auf dem einzigen elektrifizierten Streckenabschnitt Lahore – Khanewal der Strom abgestellt und die Oberleitung fast komplett abgebaut. Seitdem wird die Traktion ausschließlich von Diesellokomotiven übernommen.
Pakistan besitzt selbst einige Werke zur Produktion von Schienenfahrzeugen. Die hohe Korruption in der Verwaltung führt jedoch häufig zu wenig rationalen oder gar zu Fehlentscheidungen: Beispielsweise wurde vor 2 Jahren unter der Hand ein Großauftrag zur Lieferung von Schlafwagen an ein chinesisches Unternehmen vergeben. Bei der Auslieferung der Fahrzeuge wurde festgestellt, dass die chinesische Spurweite nicht mit der pakistanischen Breitspur identisch ist. Wäre der Auftrag öffentlich ausgeschrieben worden, wäre dieser Unterschied wohl schneller bekannt geworden.
Übrigens spielt Schienengüterverkehr in Pakistan so gut wie keine Rolle. Der Norden ist nahezu frei von Güterverkehr. In Karachi habe ich einen einzigen Güterzug mit Kesselwagen gesehen.

Städtischer Nahverkehr
Für uns Europäer sehr ungewohnt: Schienengebundene, städtische Verkehrsmittel gibt es in Pakistan nicht. Das wird sich jedoch zumindest in Lahore in einigen Jahren ändern, denn dort befindet sich eine Metro in Bau. Der städtische Nahverkehr wird vorwiegend mit Transportern abgewickelt, in denen in Normalbesetzung ca. 19 Personen Platz finden: 3 auf der Beifahrerseite, und auf 4 Bänken zusammengequetscht jeweils 4 Personen. Unweigerlich kommt es da zu sehr engem Körperkontakt (mit Männern), wenn auf die mit drei Hintern bereits sehr gut ausgelastete Bank sich noch ein vierter Hintern quetscht. Diese Kleinbusse fahren in der Regel erst, wenn alle Plätze besetzt sind. Ein „Schaffner“ ruft aus der geöffneten Schiebetür oder aus dem Fenster sein Ziel aus und sammelt das Fahrgeld ein. Sehr faszinierend: Auch ohne Ortskenntnis gibt es so gut wie immer ein Vehikel, das mich an mein Ziel bringt.
Für eine spürbar schnellere Beförderung sorgt die innerhalb der letzten fünf Jahre sowohl in Islamabad als auch in Lahore gebaute Schnellbuslinie. Die Busse verkehren im 2- bis 3-Minuten-Takt auf separaten Fahrspuren. Wegen des hohen Fahrgastandrangs und mangelnder Disziplin (den Pakistanern ist unbekannt, erst aussteigen zu lassen, dann einzusteigen bzw. in das Fahrzeuginnere durchzurutschen) kommt es ab und an zu Tumulten an den Türen, worüber die Pakistaner jedoch selber lachen.
Vor allem im regionalen Busverkehr heißt es, nicht nur im Fahrzeuginneren, sondern sich am Fahrzeug festzuhalten oder auf dem Bus Platz zu nehmen. In den Genuss, auf dem Fahrzeug zu reisen, kam ich leider auf meiner Reise in Pakistan nicht, doch am Fahrzeug sich den Wind um die Nase wehen zu lassen schafft nochmals ein anderes Fahrgefühl.
Im ländlichen Bereich stellt der öffentliche Personenverkehr nach wie vor das wichtigste Fortbewegungsmittel dar. In meiner Wahrnehmung liegt der Modal Share bei beinahe 90% Prozent – zumindest in der Gegend um Mansehra, in der ich mich aufgehalten habe.

Straßenverkehr
Der Straßenverkehr lässt sich ebenfalls in wenigen Worten zusammenfassen: chaotisch, gefährlich und bunt. Ich dachte immer, der Straßenverkehr im Iran wäre hinsichtlich des Durcheinanders nicht zu toppen. Doch da habe ich mich geirrt. Was ich in Pakistan erlebe, stellt den Iran sogar in den Schatten. Autofahren in Pakistan gleicht einem Autorennen wie in einem Computerspiel. Es wird links und rechts überholt, bei jeglicher Geschwindigkeit, jedes Vehikel – egal ob Rad, Moped, Rickshaw, Kuh oder Lkw. Ampeln werden, wenn überhaupt vorhanden, ignoriert. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Bei Dunkelheit wird in der Regel mit Fernlicht gefahren. In ländlichen Gebieten sind zudem zahlreiche unbeleuchtete Fahrzeuge unterwegs, die im Fernlicht des Gegenverkehrs nicht sichtbar sind. Doch neben diesem haarsträubenden Chaos gibt es auch interessante Farbtupfer im Straßenverkehr: Transporter, Busse und Lkw sind mit Bildern bemalt, mit Ornamenten verziert, mit Sprüchen versehen und oft wie ein Tannenbaum beleuchtet. Es gibt einen regelrechten Wettbewerb um die schönste Dekoration und einen eigenen Wirtschaftszweig, der sich mit der Ausstattung der Fahrzeuge beschäftigt. Dieses Handwerk hat Tradition: Früher wurden Pferde und Kutschen pompös ausgestattet, um dem Kunden zu beweisen, dass der Spediteur ausreichende Finanzkraft und Kompetenz hat, die Güter zu transportieren. Dieser Kult hat sich auf die mit Diesel betriebenen Fahrzeuge übertragen. Unsere Fahrzeuge in Europa wirken im Vergleich zu den pakistanischen Kunstwerken regelrecht langweilig.