Mich faszinieren asiatische Länder auch deshalb sehr, weil deren Menschen viel Leichtigkeit am Leben, Freude und Herzlichkeit versprühen. Nach meinen Reiseerfahrungen scheint sich Südkorea jedoch von den Vibes der meisten anderen Länder dieses Kontinents zu unterscheiden.
Das Reisen durch Südkorea empfinde ich oftmals als zäh und frustrierend: Auffallend häufig werden meine Anliegen oder Fragen in Restaurants und in Geschäften mit einem „No, no!“ abgelehnt und dieses zusätzlich impulsiv mit einem Verschränken der Arme untersetzt. Essen um 14.45 Uhr? „No, we‘re in a break!“, Schraubenzieher in einer Werkstatt für 5 Minuten ausleihen? „No, please buy yourself!“. Ebenso kommt es vor, dass ich ignoriert werde.
Ich empfinde diesen Umgang als sehr ungewöhnlich für ein asiatisches Land, insb. im Vergleich zu meinem Aufenthalt zuvor in China, wo auf meine Wünsche erstmal so reagiert wurde, als sei alles möglich.
Funktionale Rahmenbedingungen
Auch hinsichtlich der praktischen, technischen Hilfen, die mir als Reisenden den Aufenthalt in einem fremden Land erleichtern sollen (z.B. hinsichtlich „Wie kann ich mich leicht orientieren?“, „Wie wird auf meine Bedürfnisse als Ausländer eingegangen?“), bin ich mehrere Male ernüchtert. Zugegeben sind meine Erwartungen hoch: Südkorea, ein international agierender Player, der Technologie für den Weltmarkt entwickelt und produziert, sehe ich vor meinem Besuch auf einer Stufe mit den westlichen Ländern und mit Japan.
Doch oftmals stelle ich fest, dass Dinge nicht zu Ende gedacht sind. Websites und Apps von Navigationsdiensten, Sharing-Anbietern und der koreanischen Eisenbahn sind schlecht programmiert, zeigen Elemente nur in Koreanisch an oder schalten beim Bezahlprozess plötzlich vollständig auf Koreanisch um.
Durch meinen beruflichen Hintergrund liegt nahe, dass ich die öffentlichen Verkehrsmittel während meiner Reise besonders unter die Lupe nehme:
Grundsätzlich ist der ÖV gut: In Seoul wurde in den letzten 50 Jahren ein gigantisches, engmaschiges neues Metro-Netz geschaffen. Zwischen den großen Städten des Landes wurden viele neue Strecken gebaut bzw. sind in Bau. Mit Bus und Bahn lassen sich ohne Probleme auch entlegenere Teile des Landes erreichen. EINE aufladbare Chipkarte kann für alle städtischen und regionalen Verkehrsmittel im ganzen Land genutzt werden.
Doch was auf den ersten Blick modern erscheint, ist bei der tatsächlichen Nutzung nicht sehr anwenderfreundlich:
Die Umsteigewege zwischen Seouls Metrolinien sind weit, so dass sich der Transfer an Knotenpunkten wie der Weg zu einer anderen Haltestelle anfühlt. Aus diesem Grund versuche für kurze Strecken auf den Busverkehr auszuweichen. Doch dieser ist in Seoul und in allen besuchten südkoreanischen Städten chaotisch: Linien sind nicht aufeinander abgestimmt, es fahren Unmengen an spärlich besetzten Fahrzeugen hintereinander weg und behindern sich gegenseitig. Die Busse sind, obwohl neu, laut. Beim Ein- und Ausstieg sind mehrere Stufen zu erklimmen. Alle Fahrzeuge stammen von nur einem Hersteller: Hyundai. Mangelnder Wettbewerb schlägt sich spürbar in schlechter Qualität nieder.
Auch die neuen Schnellstrecken entpuppen sich als Zeitfresser: Die Bahnhöfe der Zwischenstationen sind oftmals so weit von den Städten entfernt, dass die Fahrt zwischen den Stadtzentren, wo einstmals auch die Bahnhöfe lagen, länger dauert als vorher, umständlicher und zudem teurer ist.
Abschließend ein „Funfact“ zur im ganzen Land nutzbaren, wieder aufladbaren Chipkarte: Sie lässt sich ausschließlich mit Bargeld aufladen! Dass nicht digital bezahlt werden kann, hat scheinbar steuerlich-rechtliche Gründe.
Menschliche Rahmenbedingungen
Bei diesen manchmal nervenden Stolpersteinen hoffe ich immer wieder darauf, dass positive Vibes auf menschlicher Ebene diese ausgleichen. Einige schöne Begegnungen tragen dazu bei, z.B.:
- meine empathische Hostelmama in Gyeongju, die sich rührend um ihre Gäste kümmert und mir einen tollen Aufenthalt bereitet,
- der zunächst ahnungslose Herr, der mich auf Bitten der Kassiererin des DMZ-Infozentrums in seinem Auto in die Civilian Control Zone mitnehmen soll, und mich dann tatsächlich den ganzen Nachmittag auf seiner Reise chauffiert, mir seine Erlebnisse aus dem Koreakrieg schildert, ein Souvenir als Andenken mitgibt und mich sogar bis zum meinem Hostel zurückbringt,
- mein gut gelaunter und immer hilfsbereiter Hostelpapa in Sokcho,
- die liebe Bedienung in einem Restaurant in Daegu,
- die nette Rezeptionistin in Incheon, die meine Sachen für 3 Wochen verwahrt,
- ein interessierter Schaffner und
- der ebenso hilfsbereite südkoreanische Mitarbeiter auf der iranischen Botschaft in Seoul.
Leider schaffen es diese Höhepunkte menschlichen Miteinanders nicht, dass ich mit einem positiven Gefühl Südkorea verlasse. Dass ich meine Erwartungen hinsichtlich Leichtigkeit und Offenheit, wie ich sie bspw. in China erfahren habe, senken muss, spüre ich direkt bei der Einreise: Die Dame bei der Migration schaut mich – trotz meines breiten Grinsens („Hallo neues Land!“) – nur emotionslos an und klebt lustlos den Einreise-Sticker auf der falschen Seite in meinen Pass. Auch auf der Straße nimmt niemand mehr Notiz von mir, niemand grüßt oder lächelt mich an. Im Gegenteil: Wie erwähnt kommt es vor, dass ich im Laden ignoriert werde. Ich fühle mich als Ausländer nicht willkommen.
Den absoluten Tiefpunkt erlebe ich auf einer (anderen) Fahrt zur DMZ. Auf einem kurzen Abschnitt bin auf einen Stadtbus angewiesen. Neben mir wollen auch mehrere Studierende aus Bangladesch und den Philippinen diesen Bus nutzen. Kaum eingestiegen, werden diese wieder herausgescheucht, auch ich werde am Einsteigen gehindert. Der Bus fahre nicht dorthin wo wir hinwollen, versucht uns der Fahrer mit verschränkten Armen und relativ lauter Stimme zu verdeutlichen. Ich bin mir jedoch recht sicher, dass der Bus dorthin fährt.
Ich komme zu dem Ergebnis, dass es hinsichtlich des menschlichen Miteinanders ähnlich ist wie in Deutschland: Es gibt viele freundliche, hilfsbereite Menschen. Aber: Man kann auch Pech haben und an Menschen geraten, die nicht freundlich sind – und bekommt das direkt zu spüren.
Natürlich läuft auch in anderen „netten Ländern“ nicht alles rund, aber in der Regel schaffen es die schönen Momente, dass die negativen in Vergessenheit geraten. In Südkorea passiert das leider nicht.
Mich interessiert sehr, wie andere Reisende ihren Aufenthalt und den menschlichen Umgang hier in Südkorea erleben. Es könnte sein, dass ich die falschen Spots erwischt und überdurchschnittlich häufig die nicht positiv agierenden Menschen angetroffen habe. Doch durchweg alle Reisenden bestätigen meinen Eindruck, insb. im Vergleich zu den Nachbarländern Japan, China, Taiwan – sowie den südostasiatischen Ländern.
Möglicherweise haben auch Koreakrieg und der anhaltende Konflikt mit dem Nachbarland Nordkorea Spuren in der Psyche der Menschen hinterlassen. Denkbar ist ebenso, dass ich manche Gestik (z.B. das Verschränken der Arme) und den rauen Umgangston negativer interpretiere als sie eigentlich gemeint sind.
Nette Begegnungen und überraschende Momente, wie z.B. ein Blickkontakt und ein herzliches Lächeln auf der Rolltreppe geben mir auf meinen Reisen sehr viele Energie. Doch um meine Energiespeicher zu füllen und mich neugierig auf das Land zu machen, bekomme ich davon in Südkorea zu wenig.
Von Japan, dem „Land der aufgehen Sonne“, wird in dieser Hinsicht viel Positives berichtet. Von daher bin ich sehr gespannt, ob meine nächste Station meine Erwartungen mehr erfüllt. Mit diesem Gedanken boarde ich in Busan/Südkorea die Fähre und lege am späten Abend gen Fukuoka/Japan ab.
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Mein nächster Blog-Beitrag: „Chinas Seidenstraße: Faszinierende Entdeckungen auf dem Weg von der Ostküste bis in den äußersten Westen des Landes“
Veröffentlichung: 1. September 2024
Mein Blog reist mir zeitlich immer ein bisschen hinterher. In dieser Zeit stelle ich meine Erlebnisse zu spannenden Beiträgen zusammen. Du möchtest aber wissen, wo ich mich aktuell befinde? Du möchtest meine Route und eine Auswahl von Foto-Schnappschüssen? Dann begleite mich gerne auch auf Polarsteps (Link siehe hier)!
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Das hätte ich jetzt auch nicht gedacht, dass sich da Südkorea so sehr von den anderen asiatischen Ländern bezüglich positiver vibes unterscheidet! Schade!