Als ich in Quetta einen Fahrschein nach Islamabad verlangt hatte, wurde mir ein Fahrschein nach Rawalpindi ausgestellt. Hatte ich mich falsch ausgedrückt? Ich wollte doch nach Islamabad! Und: Rawalpindi? Rawalwindi? Irgendwie hatte ich das schonmal gehört. Aber wo liegt das nur? Die Antwort liegt nahe: Neben Islamabad!
Die Städte grenzen aneinander und wenn der Bauboom weiter anhält, dann verschmelzen Rawalpindi und Islamabad bald vollständig miteinander. Dabei können diese beiden Städte kaum unterschiedlicher sein. Rawalpindi ist eine typisch pakistanische Stadt: laut, dreckig, chaotisch. Über 3 Millionen Menschen leben dort. Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, hat gerade mal 1 Million Einwohner und ist vergleichsweise ruhig, grün und organisiert. Man sagt, hier wohnen nur die Leute, die ihre Ruhe haben wollen – nämlich alte Leute.
Islamabad weist eine sehr kurze Geschichte auf: Mit der Gründung Pakistans im Jahr 1947 wurde eine neue Hauptstadt gesucht. Interimsweise übernahm Karachi die Funktion der pakistanischen Hauptstadt, doch gefragt war ein eher neutraler und zentraler Standort. Auf der grünen Wiese bzw. eher in der Steppe begannen 1960 die Arbeiten für die neue Hauptstadt, deren Straßenzüge sich an einem Gitternetz orientieren. Zwischen den Boulevards entstanden ca. 1,8 km x 1,8 km große „Einheiten“, die jeweils in vier Sektoren aufgeteilt sind (im Uhrzeigersinn ab 6 Uhr). In der Mitte einer Einheit befindet ein Basar, der als Ortsteilzentrum fungiert. Die Einheiten sind in West-Ost-Richtung mit Buchstaben bezeichnet, in Nord-Süd-Richtung mit Nummern. Die Orientierung, aber auch die Abschätzung der Länge eines Weges, z.B. von F9 nach E11 ist damit sehr einfach.
In Islamabad nutze ich das erste Mal auf meiner Reise Couchsurfing. Und mit meinem Gastgeber habe ich richtig Glück. Ich bin bei Jahandad untergebracht, dessen Familie Großgrundbesitzer und Führer eines Stammes im Norden Pakistans ist. Was es genau damit auf sich hat, erläutere ich in einem späteren Beitrag. Mir stehen einige Annehmlichkeiten zur Verfügung, auf die ich selbst in einem Hotel nicht zurückgreifen könnte: eigenes Zimmer und Badezimmer, Frühstück, Abendbrot, Garten und dazu ein hochgebildeter Gastgeber, der mich in alle Dinge des pakistanischen Lebens, der Geschichte Pakistans und der aktuellen Herausforderungen einführt und mir alle Fragen beantwortet. Wenn er sich nicht gerade mit mir als Couchsurfer beschäftigt, dann sorgt er dafür, dass die Hilfsfonds, die von UN und EU für Entwicklungshilfe in Pakistan bereits gestellt werden, auch an die richtigen NGOs geleitet werden. Außerdem setzt er sich in seiner Freizeit für die nukleare Abrüstung in Pakistan ein.
Für meine täglichen Ausflüge werde ich von Jahandad immer sorgfältig vorbereitet. Der Ausflug wird immer so geplant, dass ich möglichst beide Seiten des pakistanischen Lebens mitbekomme: Arme Pakistaner, die mit wenigen Dollar pro Tag auskommen müssen und reiche Pakistaner, die in überteuerten Shoppingmalls ihr Geld verprassen. Genau diese Gegensätze sind in Islamabad und Rawalpindi ausgezeichnet zu sehen. Zu meinen Ausflügen zählen folgende Ziele:
- Das bis auf das äußerste gesicherte Herz Pakistans mit dem Parlament, dem Obersten Gerichtshof und dem Pak Sekretariat und der für den relaxenden Pakistaner eingerichtete Lake View Park am Rawal Lake.
- Der wilde und pulsierende Basar von Rawalpindi und der einem amerikanischen Vorort ähnelnde und nur für reiche gedachte Stadtteil Bahria.
- Ein herbstlicher Ausflug in das in über 2000 Metern Höhe liegende und ca. 60 Kilometer entfernte Murree, wo sich während der Zeit Britisch-Indiens im Sommer die Briten mit Rang und Namen in ihre Residenzen verzogen, um der Hitze in den Garnisonen in der Tiefebene zu entfliehen.
- Ein historischer Ausflug in die etwa 30 Kilometer entfernte Welterbestätte Taxila, wo an mehreren Grabungsstätten die Anfänge der Menschheit zu bestaunen sind.
- Und schließlich die weltbekannte Faisal-Moschee zum Freitagsgebet mit anschließender Besteigung der Margalla-Berge und des Aussichtspunkts Daman-e-Koh.