Meine pakistanische Hochzeit

Categories Große Asienreise, Pakistan

Islamabad und Rawalpindi sowie die Umgebung habe ich nun weitestgehend abgegrast. Meine nächsten Ziele wären die beiden Millionenstädte Karachi und Lahore. Wieder Großstädte? Bei meinen Ausflügen in die Umgebung Islamabads habe ich gemerkt, dass die ländlichen Gebiete ganz anders ticken als die Großstädte. Ich habe große Lust noch ein paar Tage irgendwo im Norden zu verbringen und spreche mit Jahandad darüber. Jahandad macht ein paar Telefonate, spricht mit seinem Vater und teilt mir dann mit, dass ich seine Familie am folgenden Tag auf eine Hochzeit in Abbottabad begleiten darf und anschließend zu seinem Onkel (dem Stammesführer und damit Prinzen) in die Berge nach Sher Garh (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) fahren kann.

Abbottabad liegt etwa 100 Kilometer nördlich von Islamabad. Die Hochzeit findet zwar erst am späten Abend statt, doch weil es ein paar interessante Sachen in Abbottabad anzuschauen gibt fahre ich schon am Morgen vor. Die ersten 80 Kilometer von Golra  Sharif (bei Islamabad) nach Havelian nehme ich den Zug, dann folgt ein Pass, den ich nur mit dem Bus überwinden kann.

Warten auf meinen Zug in Golra Sharif (bei Islamabad). Der Bahnhof Golra Sharif versprüht noch deutlich den britischen Charme. Für die Technik- und Geschichtebegeisterten gibt es im Bahnhof zudem interessante Relikte mit Eisenbahnbezug aus der Zeit Britisch-Indiens zu bestaunen
Warten auf meinen Zug in Golra Sharif (bei Islamabad). Der Bahnhof Golra Sharif versprüht noch deutlich den britischen Charme. Für die Technik- und Geschichtebegeisterten gibt es im Bahnhof zudem interessante Relikte mit Eisenbahnbezug aus der Zeit Britisch-Indiens zu bestaunen

In Abbottabad erklimme ich den Shimla Hill mit atemberaubendem Ausblick, komme wieder mit vielen Leuten ins Gespräch und stopfe mich mit Kukuruz voll. Abends sammelt mich Jahandads Cousin Farid ein und setzt mich, weil er auch noch andere Gäste empfängt, auf der nobel eingerichteten Militärakademie ab. Dann gehts zur Hochzeit – die kaum vergleichbar mit einer deutschen Hochzeit ist. Auf einer Anhöhe von Abbottabad wurde eine Hochzeitslocation angemietet. Die Hochzeitsgesellschaft verteilt sich auf zwei Etagen: eine für Männer, eine für Frauen. Zum Glück hat mir Jahandad am Vortag gezeigt, wie sich pakistanische Männer begrüßen: Zunächst Umarmung mit linker Hand am Arm des Gegenübers sowie rechter Hand am Rücken des Gegenübers. Dann erst werden die Hände geschüttelt. Am Anfang klappt das noch nicht so gut. Doch unzählige Male darf ich das auf der Hochzeit üben. Ich werde überall vorgestellt: Führenden Politikern der Region, Prinzen, Freunden, Unternehmern usw. Mit meinem backpackerähnlichen Aussehen fühle ich mich nicht ganz passend für eine Hochzeit gekleidet. Doch das spielt anscheinend keine Rolle – die Männer freuen sich, dass ich da bin und empfangen mich äußerst herzlich. Viele bedanken sich dafür, dass sich Deutschland so in der Flüchtlingskrise engagiert und weitere sprechen ihr Beileid aus, was in Paris passiert ist.
Der Raum füllt sich, zahlreiche Begrüßungen, verschiedene Kostüme bzw. Kleider. Die Männer hocken sich an die runden Tische und entlang der Wände, auf den Balkon und in das Treppenhaus, man unterhält sich angeregt. Ich schätze, dass etwa 450 Männer anwesend sind und vermutlich werden es eine Etage tiefer genauso viele Frauen sein. Nun warte ich gespannt auf eine Ansprache oder das Programm. Das Essen wird angerichtet. Alle stürzen sich auf das Buffet. Man unterhält sich im Stehen, an den Tischen oder sonstwo. Auf die Ansprache oder das Programm warte ich immer noch, die Hochzeit ist nun schon seit eineinhalb Stunden in vollem Gange. Verwundert stelle ich dann fest, dass sich die Ersten verabschieden. Und immer mehr verlassen die Hochzeit. Bereits nach ca. 2 Stunden ist die Sause fast vorbei.

Nach dem Erklimmen des Shimla Hills bietet sich dieser tolle Blick auf Abbottabad
Nach dem Erklimmen des Shimla Hills bietet sich dieser tolle Blick auf Abbottabad

Ein paar Worte zu den Traditionen einer Eheschließung: In der Regel werden in Pakistan die Ehepartner von den Eltern vorgeschlagen. Hierzu gehen die Eltern des designierten Bräutigams auf die Eltern der Braut zu. Auch die Hochzeit, der ich beiwohnen dürfte, war eine arrangierte Partnerschaft. Sofern die Braut nicht aus der eigenen Familie kommt, kann es vorkommen, dass der designierte Bräutigam seine zukünftige Frau nicht zur Verlobung, sondern erst bei der Hochzeit kennenlernt. Die Eheschließung wird nur dann vollzogen, wenn die designierte Braut drei Mal zustimmt. Da es immer mehr Möglichkeiten gibt, den potenziellen Ehepartner in „freier Wildbahn“ zu treffen, werden vor allem in den größeren Städten mehr und mehr Ehen aus tatsächlicher Liebe geschlossen. In diesem Fall werden die Eltern um Erlaubnis gebeten. In meinen Gesprächen habe ich festgestellt, dass Männer oft Mitte 20 heiraten. Sowohl Männer als auch Frauen müssen für die Heirat mindestens 18 Jahre alt sein. Gleichwohl gibt es – auch wenn das Gesetz es nicht zulässt – Kindesheiraten, vor allem in den wilden Stammesgebieten in den hohen Bergen von Karakoram.
Die Hochzeit ist vorbei. Es ist nun ca. 23.30 Uhr und ich mache mich mit Jahandas Vater auf den Weg in seinen Heimatort Sher Garh. Trotz des waghalsigen Fahrverhaltens schlafe ich ein und nehme die zahlreichen Kurven durch die Berge nur im Unterbewusstsein wahr. Gegen 1.15 Uhr erreichen wir dann das Anwesen von Jahandads Onkel in den Bergen.

4 thoughts on “Meine pakistanische Hochzeit

  1. Schöner Reiseblog! Ich vertreibe mir meine (noch) freie Zeit gerne mit deinen Berichten 🙂 Das hier mit der Hochzeit klingt ja so, als hättest du nicht einmal den Bräutigam bzw. das Brautpaar gesehen?? Oder war das Teil der vielen Begrüßungen?

    1. Doch, doch, den Bräutigam habe ich gesehen, auch wenn er nicht als solcher gleich erkenntlich war. Musste nachfragen. Die Braut habe ich jedoch nicht zu Gesicht bekommen.

  2. Hei Ferry, unglaublich, was du so alles erlebst!!! Langeweile kommt da keine auf! 🙂
    Gab es bei der Hochzeit gar keine Zeremonie wo Braut und Bräuigam zusammen waren?

    1. Die eigentliche Trauung war vor der Sause, auf der wir waren. Sie haben sich also vorher schonmal gesehen.

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